Letztes Update:
24.03.2023
Administration / Webmail / Post
Herzlich willkommen bei... > Aktuelles und Berichte > Archiv 2006 bis 2010 > Casa Muttenz

Casa Muttenz

(Autorin: Cécile Speitel)

Ferien in Meschendorf - eine besondere Erfahrung

Eine gemütliche Tagesfahrt im Zug Basel-Wien, zweitägiger Zwischenhalt in der prächtigen Donaustadt. Danach einsteigen in den Nachtzug und morgens aussteigen im mittelalterlichen Städtchen Sighisoara, mitten in Rumänien, in Siebenbürgen so einfach war diese Hinreise gewesen, wir konnten es kaum glauben!
Corina und Cornel Stoian erwarteten uns, d.h. meine zwei Töchter und mich, mit dem VW-Bus - vorbereitet von Philipp Herzog - und fuhren uns in ihr dreissig Kilometer entferntes Meschendorf. Die letzten sieben Kilometer holperten wir über eine steinige und durchlöcherte Landstrasse durch eine hügelige Landschaft mit Schafen und Weidland. Als ich am Eingang von Meschendorf den Storch auf seinem hohen Nest sitzen und vor fast jedem Haus Kinder entlang rennen sah, begann für mich eine andere Welt. Ferien in Meschendorf ist ein Eintauchen in frühere Zeiten, wo manches ruhiger, einfacher und gemächlicher war.
Die "Casa Muttenz", die wir als Ferienwohnung gemietet hatten, verfügt allerdings über den von uns gewohnten Komfort: Die Wohnküche im Erdgeschoss hat Eisschrank und fliessend heisses und kaltes Wasser, im 1. Stock befinden sich zwei einfache zweckmässige Schlafzimmer und ein Badezimmer mit Lavabo, Dusche und WC. Wasser war übrigens in diesem Juli genügend vorhanden, allerdings zum Leidwesen der Bauern, die ihr Heu nicht einbringen konnten. Nachbarin Aurelia Tocitu brachte uns zum Morgenessen frische Eier, Brot, Käse, Honig und Kaffee. Andere Nahrungsmittel kauften wir im Dorf - es gibt drei Läden - und auf dem Markt in Shigisoara. Unsere Tage flogen dahin mit Herumspazieren und Gesprächen auf deutsch oder mit Händen und Füssen. Wir entdeckten Ziehbrunnen, besuchten die reformierte und die russisch-orthodoxe Kirche, oder machten mit Taxihilfe von Cornel einen Besuch im Nebendorf "Weisskirch" (auf rumänisch "Viscri"). Dort sahen wir Frauen am Strassenrand Socken stricken. Die Socken finden vor allem in Deutschland Absatz. Ein Teil des Erlöses geht in die individuelle Kasse der Frauen, das restliche Geld macht es möglich, dass eine Krankenschwester jede Woche ins Dorf kommt und dass der Abfall entsorgt werden kann.
Weil die UNESCO Viscri neuerdings zum Weltkulturerbe zählt, hält der Tourismus Einzug. Viscri war nicht zuletzt wegen seines Sockenprojektes faszinierend - aber wie schön war es, zurück in Meschendorf zu sein und als einzige Touristen auf der Bank vor dem Haus dem Treiben zuzuschauen: Gänse und Enten, das Pferd mit seinem Fohlen, spielende Kindern (ein Drittel der rund 240 Einwohner/innen sind Kinder), vorbeifahrende Pferdefuhrwerke. Eine heile Welt, auf den ersten Blick. In Wirklichkeit - das wurden wir uns mit jedem Tag mehr bewusst - ist das Leben in Meschendorf ein Leben voller Zukunftsfragen, für viele ein harter Existenzkampf. Hinzu kommt: Das Dorf ist geprägt von Spannungen zwischen Einheimischen und Romas, die in die von ausgewanderten Deutschen verlassenen Häuser eingezogen sind und andere Traditionen haben. Dank den Menschen in Meschendorf haben wir einen Bezug gefunden zu einem uns bisher fremden Land, zu seiner wechselvollen und schmerzlichen Geschichte. Einen aufschlussreichen, kritischen Bericht dazu habe beim Journalisten Keno Verseck gefunden, in seinem Taschenbuch "Rumänien" (Beck'sche Reihe). In den Städten sahen wir bereits Europafahnen hängen. Jetzt lesen wir Zeitungsberichte über Rumänien mit anderen Augen.
Für meine Reisevorbereitung fand ich verdankenswerte Unterstützung bei Philipp Herzog und beim Bahnhof-Team Muttenz. Möchten Sie auch Ferien in Meschendorf planen? Ich gebe Ihnen gerne, soweit möglich, weitere Auskünfte (Cécile Speitel, 061/461 65 24).

Hier geht es zur Bildergalerie 2010, "Ferien in der Pension Muttenz"