Reisebericht Ostern 2010
(Autor:
Philipp Herzog)
Vieles
verändert sich in Rumänien
Ein weiteres Mal
verbrachte ich die Karwoche in Rumänien und besuchte während 4 Tagen
unsere Patengemeinde Meschendorf. Vergleicht man das Leben auf den
Dörfern mit dem in den Städten ist dies wie Tag und Nacht - hier ein
Paar Beispiele: In Bukarest lande ich auf einem modernen
Flughafen, der sich in nichts von denen im Westen unterscheidet. Der
Zoll ist in 2 Minuten passiert, ganz anders als früher und schon nach 20
Minuten sitze ich in meinem Mietauto. In Bukarest begegnen mir modern
gekleidete Menschen, die meisten mit einem Handy telefonierend. Die
Millionenstadt pulsiert, ist hektisch, lärmig und mit Autos überfüllt,
wie die meisten europäischen Grossstädte. Ich verlasse die Stadt auf
meinem Weg Richtung Meschendorf. Zuerst übergrosse Reklametafeln links
und rechts der gut ausgebauten Strasse. Überhaupt sind die Strassen,
abgesehen von einigen Winterschäden, in einem sehr guten Zustand. All
das ist so total anders als noch vor einigen Jahren! Das moderne
Rumänien hat sich enorm verändert und ist heute -zumindest in dieser
Hinsicht- absolut EU-tauglich. Je weiter ich mich
jedoch von den Grossstädten entferne, desto mehr verändert sich das
Land. Die Fahrt führt mich durch Kleinstädte und vor allem Dörfer,
welche noch meilenweit, respektive viele Jahrzehnte, hinter dem modernen
Rumänien zurück sind. Die Häuser in teilweise
erbärmlichem Zustand und den Menschen sieht man das schwere Leben schon
von weitem an - ja, und so ist es auch in Meschendorf.
Zumindest auf den ersten Blick sieht alles genauso aus, wie wir es schon
vor 20 Jahren bei unserem ersten Besuch angetroffen habe und wie es
wohl auch schon vor 50 und 100 Jahren ausgeschaut hat. Ein idyllisches
Dörfchen mit Pferden, Kühen, Büffeln und Gänsen, welche auf der
Naturstrasse grasen. Die Häuser alt, teilweise noch ganz, viele aber
marode und zerfallen, ganz vereinzelt auch solche, welche in den letzten
2 Jahren neu renoviert wurden. Die Strasse, für unsere Verhältnisse
verheerend aber sie wurde neu gemacht, die Brücken defekt, die Brunnen
dem Zerfall nahe, so präsentiert sich unsere Patengemeinde dem
Neuankömmling. Und die Menschen? Auch sie genauso wie immer:
arm, in einfachen oft schmutzigen Kleidern, mit durch das harte Leben
gezeichneten Gesichtern, oft nur noch mit wenigen Zähnen im Mund, lachen
sie mich an. Sie sind gastfreundlich, kommen auf mich zu, umarmen mich,
heissen mich willkommen. Auf meine Frage wie es ihnen gehe, beginnen
sie aber gleich von ihrem Leid zu berichten, welches ihnen auf Grund des
extrem kalten und langen Winters widerfahren ist. Sie oder ihre Kinder
waren krank, jemand in der Familie hätte operiert werden müssen,
bräuchte Medikamente, doch habe das Geld gefehlt. Auch für den Strom
oder fürs Essen, für Schuhe und Kleider fehle das Geld, das Haus sei am
zerfallen oder der Schopf sei eingestürzt. Viele tragische Geschichten,
ich weiss nicht wie ich damit umgehen soll. Wenn ich die Aussagen dann
vor Ort bei den Leuten zuhause kontrolliere, treffen diese
auch meist zu. Es ist einfach so: diese Menschen sind arm,
sie haben nur ganz wenig zum leben und sie haben definitiv an den
grossen Veränderungen Rumäniens noch nicht teilgenommen und dies wird
wohl noch eine Zeit so bleiben. Ich frage mich, wie es
denn nun weitergehen soll mit unserer Hilfe aus Muttenz, wie lange
sollen wir diese noch weiterführen? Die verschiedenen Projekte die wir
aufgebaut haben, laufen gut. Die Microferm hat rund 5000 Franken Gewinn
erarbeitet (das Geld wurde wieder investiert). Die Schule und der
Kindergarten wurden mit EU-Geldern fertig gestellt. Die
Wasserversorgung, mit welcher wir uns Jahre lang herumschlugen,
funktioniert endlich - ebenfalls mit Geldern aus Europa. Den Schulbus
subventionieren wir noch immer, aber die Verantwortung für Reparaturen
etc. liegt beim Bürgermeister. Unsere Hilfe besteht "nur" noch
aus dem Härtefonds für Menschen mit Schicksalen wie oben beschrieben,
dem Krankenfonds, der Unterstützung der Schulabgänger die eine Lehre
machen, sowie den Patenschaften, bei welchen nach wie vor rund die
Hälfte der Muttenzer mitmachen. Die Einzelhilfe aus dem Härtefonds ist
nach wie vor wichtig, es gibt einfach zu viele tragische Fälle. Doch
gerade diese Hilfe ist auch sehr kompliziert. Zum Beispiel dem Mann mit
Diabetis, der keine Beine mehr hat, welchem wir einen Rollstuhl schenken
wollten. Ich habe dafür letzten Herbst einen Spendenaufruf im Muttenzer
Anzeiger gemacht, worauf wir in verdankenswerter Weise viel Geld
erhielten. Nun möchte er den Rollstuhl doch nicht, um den er mich
letztes Jahr noch gebeten hat. Er habe es versucht, in Kissen gebettet
in einem Stuhl zu sitzen, es gehe nicht er habe zu grosse Schmerzen
dabei. Ihm sei mehr gedient, mit einer weicheren Matratze zum liegen,
seine sei viel zu harrt und das Liegen tue ihm weh. Auch eine bessere
Brille, damit er Fernsehschauen könne wünsche er sich mehr als einen
Rollstuhl! Also habe ich ihm Geld dafür gegeben! Auch dem Mädchen,
welches mit einem Loch im Herzen zur Welt kam und dem wir die Operation
bezahlen wollten, konnte ich nicht helfen. Seine Mutter sei mit ihm in
die Moldau gezogen, sie habe einen Mann von dort kennen gelernt und sei
schon wieder schwanger! Was mit dem Kind passiert sei wusste niemand im
Dorf! Ja, solche Erlebnisse sind frustrierend und machen mich
ratlos. Ich sammle in Muttenz Geld für ganz speziell tragische Fälle und
wenn ich 6 Monate später wiederkomme, ist alles anders! Sollen wir
unsere Hilfe nach Meschendorf stoppen oder sollen wir sie noch
weiterführen und wenn ja, wie lange noch? Diese Frage stellen wir uns in
der Rumäniengruppe schon länger. Nicht wegen diesen beiden negativen
Erlebnissen, nein ganz allgemein. Ich, der ich die Hauptverantwortung
für diese Entscheidung trage, frage mich: bin ich noch objektiv genug,
um sie treffen zu können? Bin ich schon zu oft in Meschendorf gewesen,
kenne ich alles zu gut und bin dadurch vielleicht blind
geworden? Ich bin froh, dass ich im Juni mit einer Gruppe von
15 Personen aus Muttenz unsere Patengemeinde besuchen werde. Ich bin
sehr gespannt, wie diese Leute die Situation einschätzen. Leute, die
teilweise schon vor 14 Jahre einmal in Meschendorf waren und solche, die
unsere Patengemeinde zum ersten Mal besuchen. Ihre Eindrücke und
Meinungen sind mir wichtig für die Entscheidung, wie es weitergehen
soll, denn sie schauen das Ganze aus einer ganz anderen Sicht
an.
Ich werde Sie nach
dieser Gruppenreise HIER
(Klick) über das weitere Vorgehen bezüglich
unseres Hilfsprojektes weiter informieren.
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